Wissenssnack Mittwoch, 8. Mai 2024

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Ist die Generation Z wirklich so anders als die Boomer?

Prof.in Dr. Sabine Kirchhoff erkl?rt im Wissenssnack, dass die Unterschiede innerhalb einer Generation gr??er sind als zwischen den Generationen. Bild: 188篮球比分_188比分直播—激情赢盈中√ Osnabrück

T?glich sind wir von spannenden Wissenschaftsthemen umgeben. Mit dem Format ?Wissenssnack“ m?chten wir aktuelle wissenschaftliche Themen n?her beleuchten und durch gezielte Fragen an unsere unterschiedlichen Expert*innen am Campus Lingen aufkl?ren.

Das nachfolgende Interview hat Hochschul-Redakteurin Miriam Kronen mit Prof. Dr. Sabine Kirchhoff geführt. Sie ist Professorin für Presse- und Medienarbeit an der Fakult?t Management, Kultur und Technik und Leiterin des Instituts für Kommunikationsmanagement. Im Jahre 2014 hat sie das Buch ?Online-Kommunikation im Social Web“ herausgegeben und darin unter anderem untersucht, ob es die so genannten ?Digital Natives“ wirklich gibt. Dabei ist sie auch auf die Begriffe Generation Z und Boomer gesto?en.

 

Frau Professorin Kirchhoff, wie kommt es, dass in den Medien h?ufig die Generation Z mit den Boomern verglichen wird?

Das liegt daran, dass in der Gesellschaft rasch Unterschiede wahrgenommen werden und man sich fragt, wie diese zustande kommen. Grunds?tzlich müsste mittlerweile aber allen klar sein, die sorgf?ltig recherchieren, dass es keine Belege für Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Man vergleicht ja auch keine Kleinkinder mit zehnj?hrigen Schulkindern oder gar mit Jugendlichen. Da ist jedem sofort klar, wie unsinnig das ist. Aber es f?llt einem überhaupt nicht auf, wenn man die Generation Z, also die zwischen 1997 und 2012 Geborenen, mit den Babyboomern (Anmerkung der Redaktion: zwischen 1950 und 1964 geboren) vergleicht.

Was bedeutet das genau?

Inzwischen wei? man aus seri?sen Untersuchungen, dass die Unterschiede innerhalb einer Generation gr??er sind als die zwischen den Generationen. Was sich allerdings im Verlauf der Jahre stark ?ndert, sind die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft. So ist beispielsweise der Arbeitsmarkt für gut ausgebildete Fachkr?fte viel besser ist als noch vor drei?ig Jahren. Sind die Rahmenbedingungen wiederum extrem gut - wie in den letzten Jahren in Deutschland - entsteht natürlich eine ganz andere Anspruchshaltung an die Berufswelt. Die ver?nderten Rahmenbedingungen gelten aber für alle Menschen, egal zu welcher Generation sie geh?ren. Weil sich das Generationenthema wegen der individuellen Betroffenheit aber gut vermarkten l?sst, greifen die Medien die vermeintlichen Unterschiede zwischen den Generationen immer wieder auf gerne auf. Es werden zu oft Ad-hoc-Studien zitiert, die nicht repr?sentativ sind. Dabei werden die Generationen in unlauterer Weise in Beziehung gesetzt und es entstehen generalisierte Aussagen.

Warum haben Sie sich als Kommunikationswissenschaftlerin mit der Generationenforschung besch?ftigt?

Ich habe mich nicht in der klassischen Generationenforschung bewegt, aber ich bin als Kommunikationswissenschaftlerin auf die klassische Generationenforschung gesto?en. Vor ungef?hr zehn Jahren waren die Begriffe ?Digital Natives“ und ?Digital Immigrants“ (Anmerkung der Redaktion: ?digitaler Eingeborener“ und ?digitaler Einwanderer“) in aller Munde. Das Bild von den ?Digital Natives“ wurde von dem amerikanischen Bildungsberater und Education Consulter Marc Prensky gepr?gt. Er behauptete, dass die junge Generation in die digitale Welt hereingeboren wird und die Technik deshalb aus dem Effeff beherrscht. Im selben Aufsatz behauptete er ferner, dass sich ihre Gehirne so ver?ndern, dass sie das automatisch k?nnen und ohne diese Ger?te nicht mehr auskommen. ?ber die Digital Immigrants hingegen sagte Prensky, dass ihre Gehirne anders sind und sie die Technik nicht mehr beherrschen k?nnen und wollen. Heute wissen wir, dass das Gehirn neuroplastisch ist und jede und jeder in jedem Alter alles lernen kann, wenn er oder sie will. Ein sch?nes Beispiel hierfür ist der frühere US-Au?enminister Henry Kissinger. Er hat mit 98 Jahren noch ein Fachbuch zu KI geschrieben.

Wieso existieren diese Generationen-Unterteilungen noch?

Prensky hat das Bild der ?Digital Natives“ entwickelt, weil es sich gut verkaufen l?sst und eine selbst geschaffene Nachfrage bedient. Heutzutage gibt es viele Agenturen, die Unternehmen beraten, wie sie mit der Generation Z umgehen sollen, weil sie ja angeblich so anders ist als alle anderen Generationen davor. Die Aussagen werden für gew?hnlich mit Allgemeinwissen unterfüttert, die dann wiederum zutreffen. Denn wir Menschen suchen bevorzugt nach Informationen, die unsere Sicht der Dinge best?tigen. Wir lesen beispielsweise eine Ad-hoc-Studie über die Unterschiede zwischen den Generationen, vergleichen sie mit unseren Erfahrungen und fühlen uns best?tigt. Es gibt aber in jeder Generation einen Anteil von Flei?igen, von Faulen, von Motivierten und Demotivierten.

Wie k?nnen wir das ?Schubladendenken“ vermeiden?

Wir müssen uns und unsere Ansichten best?ndig hinterfragen. Ich wei?, dass das schwer ist. Denn wir alle haben unsere Macken, schauen aber lieber auf die Macken der anderen. Wenn wir uns hinsichtlich des Generationenthemas als Babyboomer, wie ich zum Beispiel, nicht von unserem Verhalten vor 40 Jahren leiten lassen, sondern uns stattdessen zum Beispiel fragen würden: Wie würde ich mich verhalten, wenn ich jung w?re und diese oder jene M?glichkeiten h?tte? Dann w?re das zielführender. Ist es denn ein Wunder, dass in den 60iger Jahren und Anfang der 70iger Jahre mehr gelesen wurde? Schlie?lich gab es damals nur drei Fernsehsender und die haben nicht rund um die Uhr Beitr?ge ausgestrahlt. Wer wei?, ob ich Professorin w?re, wenn ich mit einem Smartphone aufgewachsen w?re. Ich hatte nur Bücher.

Bleiben wir also flexibel und nutzen unser Gehirn m?glichst vielf?ltig, dann entlarven wir wahrscheinlich viele Stereotype und Vorurteile, ehe wir sie generalisieren und sorgen für ein gutes Miteinander zwischen Jung und Alt.

 

Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für den Wissenssnack genommen haben.

 

Von: Miriam Kronen